Der große Brand von Weinzierl - eine Einsatznachlese

von Gerhard UrschlerZuletzt am Freitag, 1. September 2017 geändert.
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Der „große Brand von Weinzierl“ vom 25. August 2017 wird noch längere Zeit in unseren Köpfen präsent sein. Die umfangreiche Berichterstattung in den regionalen wie überregionalen Medien sowie der Bericht auf unserer Homepage geben das Ereignis vordergründig in aller Deutlichkeit wieder.

2 Wohnhäuser und 5 Nebenobjekte wurden schwer beschädigt bzw. bis auf die Grundmauern vernichtet, 3 weitere angrenzende Wohnhäuser leicht beschädigt. Die Rettung von wertvollen Kulturgütern, insbesondere von alten handschriftlichen Aufzeichnungen, ist vielleicht ein geringer Trost, aber dennoch ein Erfolg. Weit substantieller war die Rettung der direkt angrenzenden 4 Wohnhäuser und weiterer zahlreicher Nebengebäude – nicht davon zu sprechen, wenn der Brand diesen ersten Ausbreitungsring durchbrochen hätte. Weitere 10 Objekte, bis hin zum Universitätsklinikum, wären in höchste Gefahr geraten.

Die Arbeit der eingesetzten Atemschutztrupps, sei es im Innenangriff in den brennenden Gebäuden, oder sei es auf den brennenden Dachstühlen, auf Latten und Sparren herumkletternd, war körperlich fordernd und längenweise höchst gefährlich. Um den Brandüberschlag zu verhindern, wurden Teile des brennenden Daches von Ziegeln befreit – dabei wurden die Kräfte mit Wasserstrahlen geschützt und dann die Dachkonstruktion vollends geöffnet. Erst dann war ein Löscherfolg möglich.

Die extreme Ausdehnung des Objekts mit all seinen Nebengebäuden und die rasche Brandausbreitung machten die herkömmliche Taktik zum Teil wertlos. Die Vorbrennzeit des Gebäudes, kombiniert mit den Brandlasten der gelagerten Destillate sorgte für eine selten gesehene Geschwindigkeit der Flammenausbreitung. Die Bildung von „Brandschneisen“ auf den Dächern verhinderte letztlich den Brandüberschlag, Atemschutztrupps in den Dachböden sicherten von innen und verhinderten die Brandausbreitung nach unten: Brennende Trümmer waren ja bereits aus den Dachstühlen durch die Stiegenhäuser nach unten gestürzt.

Die Gefährlichkeit der Arbeit zeigte sich darin, dass 11 Feuerwehrmitglieder vom Roten Kreuz an der Einsatzstelle versorgt werden mussten. Dank Schutzausrüstung und guten Ausbildungsstandes musste aber nur ein Feuerwehrmann im Krankenhaus Krems ambulant untersucht werden. Bewohner oder Anrainer wurden nicht verletzt. Erschöpfte Gesichter waren am Atemschutzlogistikplatz die Norm.

Bei diesem Brand handelte es sich um ein extrem komplexes Szenario, im Grunde standen mehrere Gebäude auf einmal in Flammen, die Bausubstanz war dermaßen verwinkelt, dass die einzelnen Bereichsleiter erst Stunden später über die gesamte Ausdehnung sich ein endgültiges Bild machen konnten. Diese Verquickung in ein großes Riesenszenario und die starke Rauchentwicklung waren anfänglich äußerst erschwerend.  Die höchste Alarmstufe „B4“ war nicht ausreichend, der Disponent in der Bezirksalarmzentrale musste hier eine Ressourcenplanung durchführen, ohne dabei die anderen Abschnitte völlig zu entblößen, auch dort musste der Ortsschutz ja weiterhin gegeben bleiben. Diese Alarmerhöhung der ersten Stunde, die für den Einsatzerfolg unabdingbar war, wird wohl als „Alarmstufe Weinzierl“ in unseren Sonderalarmplänen ihren Platz finden.

Nun hat sich der Rauch verzogen, es gilt langsam die gewonnenen Erkenntnisse aufzuarbeiten. Die Feuerwehr beschäftigt sich nicht mit der Schuldfrage, für die Arbeit der Brandbekämpfung ist es irrelevant, ob ein Feuer durch ein technisches Gebrechen oder durch Fahrlässigkeit entstanden ist – wir wissen: Unfälle passieren. Viel mehr interessiert es uns aber, ob wir aus diesem Einsatz nicht Lehren und Erkenntnisse ableiten können, die uns in Zukunft die Arbeit erleichtern und uns noch effektiver werden lassen.

Ganz klar sind Gespräche mit dem Rauchfangkehrer und dem Anlagenrecht notwendig, eine erste gemeinsame Begehung des Brandobjektes hat bereits stattgefunden. Gerade in historisch bedeutsamen Objekten ist es teilweise sehr schwierig, nachträglich bauliche Ertüchtigungen vorzunehmen, anhand der Brandruine in Weinzierl können doch ein paar Lehren gezogen werden. Es geht nicht darum, in Zukunft im Altbestand Zwangsmaßnahmen zu setzen, die rechtsstaatlichen Vorgaben (Bestandsschutz) sind kein Thema. Viel wichtiger erscheint es allen Beteiligten, statt weiterer Gesetze und Regelwerke zu fordern eine Bewusstseinsbildung zu erzielen. Maßnahmen, die vom Hauseigentümer aus eigener Überzeugung umgesetzt werden, sind viel nachhaltiger als bescheidmäßig erzwungene Investitionen.

Das Szenario „Weinzierl“ ist so wie es aussieht eines der größten Brandereignisse in Wohnobjekten in Krems seit langer Zeit – dennoch gibt es mit der Altstadt von Krems einen weitaus größeren, aber völlig vergleichbaren Bereich hinsichtlich der Bausubstanz. Hier wird die Feuerwehr Krems einen Sonderalarmplan für diese Zone entwickeln, der Brand in Weinzierl hat gezeigt, dass die alte Bausubstanz uns große Herausforderungen stellt, wir aber mit rechtzeitig und ausreichend alarmierten Ressourcen eine Chance haben, die Ausbreitung einzudämmen.

Unterm Strich ist der Verlauf des Einsatzes sehr erfolgreich gewesen. Es gab großartige Leistungen der eingesetzten Feuerwehrmitglieder, auch die Qualität der gewonnenen Erkenntnisse ist höchst zufriedenstellend.

Dennoch, ein bitterer Geschmack bleibt: Der Bestand an frischem Schlauchmaterial ist wegen der zahlreichen durch herabstürzende Dachziegel beschädigten Schläuche („Dachziegel fallen immer auf unsere Schläuche“) bedenklich gering – und der Zustand unserer Atemschutzausrüstung, die uns mit der lebensnotwendigen #Atemluft versorgt, ist nun kritisch.

Wir haben an einem Tag alle Atemschutzgeräte vier- bis sechsmal in Verwendung gehabt, sämtliche Masken verwendet, viele davon mehrfach. Alles wurde stark verschmutzt, mechanisch extrem belastet und durch den Schaumeinsatz noch zusätzlich angegriffen. Seit Freitagabend sind unzählige Arbeitsstunden zur Reinigung aufgewendet worden – doch bei unserer Atemschutzausrüstung herrscht nun Alarmstufe dunkelrot.